Liebe Leserin und lieber Leser,

in unserer Reise in fünf Kapiteln durch die Essenz der Existenzanalyse (die maßgeblich von Dr. Alfred Längle geprägt ist), öffnen wir heute ein Kapitel, das das Herz der menschlichen Existenz berührt:

Das Leben Mögen.

Diese zweite Grundmotivation ist ein Kompass, der uns durch die Gewässer unseres Daseins führt, die weit über das reine Überleben hinausgehen.

Vorweg ein Überblick über die 4 existenz-analytischen Grundmotivationen:

1. In der Welt Sein Können: Die Basis unseres Lebens

Bevor wir uns dem Leben Mögen zuwenden, ist es wichtig, die erste Grundmotivation zu würdigen: In der Welt Sein Können. Hier geht es um die Fähigkeit, sich in der Welt zu manifestieren, aktiv zu gestalten und die eigenen Potenziale zu entfalten.

Doch ist das allein ausreichend?

An dieser Stelle möchte ich etwas zum ersten der fünf Grundmotivationen der Existenzanalyse, dem In der Welt Sein Können”, meines vorigen Newsletters etwas nachtragen:

Hannah Arendt, eine herausragende politische Theoretikerin des 20. Jahrhunderts, hat sich in ihren Studien über das Böse tiefgehend mit den Ursachen und Erscheinungsformen dieses Phänomens auseinandergesetzt.

Insbesondere in ihrem Werk “Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen” bietet sie eine kluge Perspektive auf die Natur des Bösen. Arendt argumentiert überzeugend, dass das Böse nicht zwangsläufig aus tief verwurzelten, monströsen Neigungen entspringt, sondern oft in der Banalität des Alltäglichen und der Gedankenlosigkeit zu finden ist. 

Arendt hebt die Bedeutung individuellen Verantwortungsbewusstseins und moralischen Denkens hervor, um dem Aufkommen des Bösen entgegenzuwirken.

Ihre Warnung vor der Gefahr des Bösen, die in Gedankenlosigkeit und dem Fehlen moralischer Reflexion lauert, mahnt zur Wachsamkeit gegenüber einer Entmenschlichung und Verrohung der Gesellschaft.

Die beeindruckende “Vorlesung über das Böse”  hat mich tief berührt. Arendts unmittelbare Präsenz und persönliche Ansprache, frei von intellektueller Attitüde, ermöglichen einen direkten Einblick in ihre Überlegungen zu diesem schwerwiegenden Thema. Ihre klare Ausdrucksweise macht komplexe Themen zugänglich, während sie existenziell mit dem Bösen konfrontiert.

Die Erörterung der moralischen Qualität des Denkens in der Vorlesung ist besonders faszinierend. Arendt wirft wichtige Fragen auf, die über theoretische Überlegungen hinausgehen und tief in die praktische Dimension unserer moralischen Entscheidungen eingreifen.

In diesem Kontext möchte ich Matthias Ohler, eine Persönlichkeit, die ich seit vielen Jahren schätze und von der ich stets die besten  Literatur-Tipps, wie den o.a. erhalte, erwähnen.

Matthias ist Philosoph, Mitbegründer des Ludwig-Wittgenstein-Instituts, Linguistiker, Musiker und Leiter der Carl-Auer Akademie und trägt nicht nur zu meinem intellektuellen Horizont bei, sondern ist auch ein Grund, warum sich Kongressbesuche, wie beispielsweise zum DGH – Hypnose Jahreskongress im November in Bad Lippspringe, allein durch seine Anwesenheit lohnen. Seine Expertise, seine Live -Musik und Humor machen ihn zu einer inspirierenden Quelle der Lebenslust.

Wir haben uns über “das Sein können” und die Existenzanalyse unterhalten und er hat mir nicht nur wertvolle Empfehlungen zu Hannah Arendts Werken gegeben, die über Heidegger hinausreichen, den sie ja bestens kannte. Insbesondere betonte er “Über das Böse” als lesenswert, ein Werk, das ich hier nachdrücklich empfehlen möchte.

Iieber Matthias, ich danke dir sehr!

 

2. Leben Mögen: Die Fülle des Seins erfahren

Das Leben Mögen ist nicht nur eine emotionale Nuance; es ist der Schlüssel zu einer erfüllten Existenz. Es geht über das bloße Überleben hinaus und zielt darauf ab, die Fülle des Lebens zu erkennen und zu schätzen. Es ist der Moment, in dem wir nicht nur existieren, sondern das Dasein in all seiner Pracht mögen.

 

3. So Sein Dürfen: Die Freiheit der Authentizität

Die dritte Grundmotivation, das “So (sich selbst) Sein Dürfen”, erinnert uns daran, dass das wahre Mögen des Lebens in der Freiheit der Authentizität liegt.

Es ist die Befreiung von gesellschaftlichen Masken und das uneingeschränkte Recht, wir selbst zu sein.

Denn erst in der Authentizität können wir das Leben in seiner vollen Tiefe erfassen.

 

4. Sinnvolles Sollen: Viktor Frankls Logotherapie

Viktor Frankls Ansatz, das Sinnvolle Sollen, fügt eine weitere Dimension hinzu. Es erinnert uns daran, dass das Leben nicht nur ein subjektives Erleben ist, sondern auch eine objektive Bedeutung trägt.

Die Logotherapie lädt uns ein, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und in unseren Handlungen Bedeutung zu finden.

Nun also zur Existenzanalyse 2/5: Das Leben Mögen.

Das Lebendige Mysterium des Mögens

„Mag ich mein Leben?

Welchen Sinn trägt es in sich?“

Solche Fragen sind wie leise Pulsationen des Herzens, die im Rhythmus unseres Daseins mitschwingen.

In einem Universum der Unendlichkeiten und Unbekannten ist das Mögen des Lebens ein Schlüssel, der die Türen zu unserem eigenen lebendigen Mysterium öffnet.

Besonders in den Stürmen der Krise erhebt sich die Frage nach dem Sinn wie ein unermesslicher Berg vor uns.

Der Sinn ist dabei so individuell wie ein Fingerabdruck, sich stets neu formend und in den verschiedenen Facetten des Lebens schimmernd.

Die Philosophie des  “Leben Mögens”

Im tiefen Dasein des Menschen eröffnet die Grundmotivation “Leben Mögen” ein weites Feld der existenziellen Betrachtung.

Diese Grundfrage des Lebens, ob wir es mögen, offenbart sich in der Beziehung zu unserer Existenz, in der Akzeptanz des Unaufhaltsamen: Wachsen, Reifen, Altern.

Das Mögen des Lebens, so tiefgreifend es auch erscheinen mag, gründet auf einem inneren Wertempfinden, auf der Grundbeziehung zum eigenen Dasein.

Die Essenz der Mögens: Bewegung in der Existenz

“Das Leben mögen” manifestiert sich als eine dynamische Kraft, die in der Resonanz zwischen dem Individuum und dem Erlebten entsteht. Das Mögen oder Nicht-Mögen ist eine subtile Reflexion des Inneren, eine Antwort auf das, was unsere Existenz in Bewegung bringt. Ein innerer Tanz zwischen Lust und persönlichem Anliegen.

Die Grundbeziehung: Wurzeln der Selbstverbundenheit

Die Grundbeziehung zum Leben bildet den Nährboden, auf dem unsere Gefühle und Beziehungen sprießen. Positive Beziehungserfahrungen, sei es durch Nähe zu anderen Menschen, zur Natur oder zu geistigen Inhalten, stärken diese Grundbeziehung. Hier entscheidet sich, ob wir das Leben mögen oder uns von ihm distanzieren.

Grundwert des Lebens: Ein inneres Barometer

Der Grundwert des Lebens entsteht aus der Grundbeziehung. Er ist ein inneres Barometer, das unsere Zufriedenheit und unser “Gut, dass es mich gibt”- Gefühl misst. In diesem Grund-Gefühl  finden sich Werte wieder, die durch ihre Bedeutung und Beziehung zu unserem Leben eine tiefere Dimension der Erfüllung schaffen.

Fragen für eine tiefere Reflexion:

In welchen Momenten empfinde ich wahre Lebensfreude?

Kann ich zwischen oberflächlicher Befriedigung und innerer Erfüllung durch Werte unterscheiden?

Welche Werte sind mir so wichtig, dass ich mich dafür engagiere?

Erfahre ich Dankbarkeit für mein Dasein?

Das Mögen des Lebens ist eine subtile Kunst, die im Dialog zwischen dem Selbst und der Existenz verwoben ist.

Eine existenz-philosophische Betrachtung, die uns einlädt, die Tiefe unserer Selbstverbundenheit und den inneren Wert unseres Lebens zu erforschen.

 

Die Harmonie der Grundmotivationen: Ein Blick auf das Ganze

 

In der kohärenten Verbindung dieser Grundmotivationen liegt die Essenz eines erfüllten Lebens.

In der Welt Sein Können bildet die Basis,

das Leben Mögen fügt die Farben hinzu,

das So Sein Dürfen bringt Authentizität und Freiheit,

während Sinnvolles Sollen uns eine tiefere Verbindung mit der Welt ermöglicht.

 

Lebenskunst: Die Balance der Motivationen

Die Kunst des Lebens besteht darin, diese Grundmotivationen in Balance zu halten.

Wenn wir uns in der Welt manifestieren können,

das Leben in seiner Fülle mögen,

authentisch sein dürfen und

sinnvolle Handlungen setzen,

entsteht eine harmonische Melodie, die die Reise des Lebens begleitet.

Fazit: Ein Aufruf zum Wahren Leben

In der Tiefe dieser philosophischen Reflexionen liegt ein Aufruf:

Mögen wir nicht nur existieren, sondern das Leben in all seiner Schönheit und Komplexität mögen.

Möge unsere Reise des Lebens von Freude, Liebe, Erfüllung und tiefer Bedeutung durchwoben sein,

mit einem aus dem offenen Herzen und dem kühlen Kopf  kommenden

4- fachen JA, zum:

In der Welt Sein Können

das Leben Mögen 

Sich selbst Sein Dürfen

Sinnvolles Sollen

 

Danke fürs Lesen, im nächsten  NL wird es dann darum gehen, sich selbst Sein zu Dürfen (Authentizität, 3. existenzanalytische Grundmotivation)

liebe Grüße!

Tobias

https://www.tobiasconrad.online/

 

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